Myelodysplastische Neoplasien (Myelodysplastische Syndrome, MDS)
Die Myelodysplastischen Syndrome (MDS) stellen ein Schwerpunkt der speziellen hämatologischen Diagnostik dar.
Myelodysplastische Syndrome sind klonale Erkrankungen der hämatopoetischen Stammzelle, die durch Dysplasien von Blut- und Knochenmarkzellen mit hämatopoetischer Insuffizienz charakterisiert sind und ein erhöhtes Risiko der Entwicklung einer akuten myeloischen Leukämie (AML-MR nach WHO 2022) aufweisen. Klinisch zeigt sich eine Zytopenie, die sich allein oder in Kombination als Anämie, Leuko-/Granulozytopenie und Thrombozytopenie manifestieren kann.
Die Blut- und Knochenmarkdiagnostik spielt eine entscheidende Rolle. Ein wesentliches Diagnosekriterium sind Dysplasiezeichen in mindestens 10% der Zellen einer oder mehrerer Zellreihen. Neben der sorgfältigen zytomorphologischen Beurteilung gehören die Durchflusszytometrie, die Knochenmarkhistologie, die klassische Zytogenetik bzw. Fluoreszenz in situ Hybridisierung sowie die Molekulargenetik zur Primär- und Verlaufsdiagnostik des MDS.
Einteilung gemäß WHO Klassifikation 2022 [1] | Blastenanteil | Zytogenetik | Mutationen | Besonderheit |
MDS, genetisch definiert |
||||
MDS mit niedrigen Blasten und isolierter Deletion (5q) (MDS-5q) |
<5% Knochenmark <2% Blut |
Deletion (5q) isoliert oder mit 1 anderen Anomalie außer Monosomie 7 oder Deletion (7q) | ||
MDS mit niedrigen Blasten und SF3B1 Mutation (MDS-SF3B1) MDS mit niedrigen Blasten und Ring-sideroblasten* |
Keine Deletion (5q), keine Monosomie 7, kein komplex aberranter Karyotyp | SF3B1 | *Nachweis von ≥15% Ringsidero-blasten kann den Nachweis einer SF3B1-Mutation ersetzen | |
MDS mit bi-allelischer TP53 Inaktivierung (MDS-biTP53) | <20% Knochenmark <20% Blut | meistens komplex aberrant (>3 Aberrationen) | ≥2 TP53 Mutationen oder 1 Mutation + Verlust der Kopienzahl von TP53 | |
MDS, morphologisch definiert | ≥10% Dysplasiezeichen in mind. einer Zellreihe | |||
MDS mit niedrigen Blasten (MDS-LB) | <5% Knochenmark <2% Blut | |||
MDS, hypoplastisch (MDS-h) | ≤25% Knochenmarkzellularität (histologisch), altersadaptiert | |||
MDS mit erhöhten Blasten (MDS-IB) |
||||
|
5-9% Knochenmark und/oder 2-4% Blut |
|||
|
10-19% Knochenmark und/oder 5-19% Blut | |||
MDS mit Fibrose (MDS-f) |
5-19% Knochenmark und/oder 2-19% Blut |
Zur Prognoseabschätzung können der IPSS-M (International Prognostic Scoring System - Molecular) [2] bzw. der IPSS-R (International Prognostic Scoring System - Revised) [3] verwendet werden. Während sich der IPSS-R aus den Parametern "Karyotyp", "Blastenanteil im Knochenmark" sowie den Blutwerten "Hb", "Thrombozyten" und "Neutrophile Granulozyten" errechnet, beinhaltet darüberhinaus der IPSS-M somatische Mutationen von insgesamt 31 Genen. Für beide Prognosescores stehen web-basierte Rechenprogramme zur Verfügung (siehe unten "Wissenswerte Links").
Die spezielle Hämatologie bzw. spezielle hämatologische Diagnostik umfasst nicht nur die korrekte Diagnose inkl. Subtypisierung einer hämatologischen Erkrankung nach der gültigen WHO-Klassifikation, sondern beinhaltet auch die Identifikation von Parametern zur Risikoeinteilung und Verlaufsbeurteilung inkl. Messbare Resterkrankung (MRD). Diese Parameter werden im Verlauf zur Kontrolle des Remissionsstatus und zur Therapiesteuerung eingesetzt.
Zum Methodenspektrum der speziellen hämatologischen Diagnostik gehören die Zytomorphologie, die Durchflusszytometrie (auch: Immunphänotypisierung), die Knochenmarkhistologie, die klassische Zytogenetik bzw. Fluoreszenz in situ Hybridisierung (FISH) sowie die Molekulargenetik.
Die mikroskopische Beurteilung von Blut und Knochenmark (Zytomorphologie) sowie die durchflusszytometrische Diagnostik erfolgen in der Abteilung für Spezielle Hämatologie im Labor Becker.
Die histopathologische Untersuchung des Knochenmarkstanzzylinders wird im Pathologischen Institut der LMU, München durchgeführt.
Die klassische Zytogenetik bzw. Fluoreszenz in situ Hybridisierung (FISH) werden im Münchner Leukämielabor durchgeführt.
Die molekulargenetischen Analysen erfolgen im Netzwerk Hämatologische Diagnostik des Universitätsklinikums Heidelberg.
Literatur
- Khoury JD, Solary E, Abla O et al. The 5th edition of the World Health Organization Classification of Haematolymphoid Tumours: Myeloid and Histiocytic/Dendritic Neoplasms. Leukemia 2022;36:1703-1719.
- Bernard E, Tuechler H, Greenberg PL et al. Molecular International Prognostic Scoring System for Myelodysplastic Syndromes. NEJM Evid 2022;1(7).
- Greenberg PL, Tuechler H, Schanz J et al. Revised international prognostic scoring system for myelodysplastic syndromes. Blood 2012;120:2454-2465.
Stand: 13.02.2025