Gezielte Rhesus-Prophylaxe dank nicht-invasivem Pränataltest (NIPT)


15% der Bevölkerung fehlt er: der Rhesusfaktor, ein Oberflächenmerkmal von Erythrozyten. Zur (potentiellen) Gefahr kann dies nur werden, wenn eine Rhesus-negative Person in Kontakt mit Rhesus-positiven Erythrozyten kommt, ein Szenario, das sich insbesondere in der Schwangerschaft Rhesus-negativer Frauen ergibt. Dass dies meist ohne klinische Konsequenz bleibt, ist der Rhesus-Prophylaxe zu verdanken. Bis vor wenigen Jahren fehlte aber die Möglichkeit, diese gezielt einzusetzen – denn in circa 40% der Fälle ist sie medizinisch nicht notwendig. Wir möchten hier die biologische Grundlage der Rhesus-Inkompatibilität und -Prophylaxe beleuchten und aufzeigen, wie ein nicht-invasiver Bluttest hilft, den unnötigen Einsatz eines knappen Therapeutikums zu vermeiden.

Biologischer Hintergrund: kleines Protein…

Der Rhesusfaktor D (RhD), ein Protein auf der Zellmembran von Erythrozyten, gibt bis heute Rätsel auf. So ist beispielsweise seine genaue Funktion immer noch ungeklärt. Die Tatsache, dass circa 15% der kaukasischen Bevölkerung dieses Oberflächenprotein komplett fehlt (rhesus-negativ, RhD-negativ) [1], mag auch die Frage aufwerfen, wie wichtig der Rhesusfaktor für die roten Blutkörperchen überhaupt sein kann.

… große klinische Relevanz

Eine wichtige Rolle spielt der Rhesusfaktor jedoch aufgrund seiner Immunogenität. Für das RhD-negative Immunsystem stellt der Rhesusfaktor ein Fremd-Antigen dar, das neutralisiert werden muss. Trifft also ein RhD-negatives Immunsystem auf den Rhesusfaktor wird eine Immunantwort angestoßen, die zur Bildung von Anti-D-Immunglobulinen (auch: Rhesus-Antikörper) führt. Diese gegen den Rhesusfaktor-gerichteten Antikörper binden an RhD-positive Erythrozyten und leiten deren Zersetzung (Hämolyse) ein. Diese Unverträglichkeit (Inkompatibilität) RhD-negativen Blutes gegenüber dem Rhesus-Antigen spielt insbesondere bei Schwangerschaften eine wichtige Rolle.

Rhesus-Antikörper: klinisches Problem…

Ein klinisches Risiko durch die Rhesus-Inkompatibilität ergibt sich in der Regel erst während der zweiten Schwangerschaft einer RhD-negativen Mutter mit einem RhD-positivem Kind.

Die erste Schwangerschaft hingegen verläuft meist komplikationslos. Eine erste Immunreaktion erfolgt hier, sobald kindliche Erythrozyten in den Kreislauf der Mutter gelangen (z.B. durch Geburt, medizinische Eingriffe während der Schwangerschaft, Aborte u.a.). Die nach Erstkontakt gebildeten mütterlichem IgM-Antiköper bleiben i.d.R. ohne klinische Relevanz, ihre Konzentration ist zu gering und sie sind zu groß, um die Plazenta zu passieren.

Eine zweite Schwangerschaft mit RhD-positivem Kind bedingt erneuten Kontakt mit dem Rhesus-Antigen und löst eine verstärkte Antikörperantwort aus. Zudem sind die nun gebildeten IgG-Antikörper kleiner, werden von der Plazenta aktiv in das Kind gepumpt und hämolysieren die kindlichen Erythrozyten. Mit klinischen Konsequenzen: Bilirubin, als Erythrozyten-Abbauprodukt, sammelt sich an. In schweren Verlaufsformen kann es bereits pränatal zu einem Hydrops fetalis kommen. Postnatal zeigt sich eine Anämie, die mit Gelbfärbung (Ikterus) des Neugeborenen und durch Ablagerung in die Thalamus-Kerne (Kernikterus) mit Hirnschäden einhergehen kann.

… und therapeutische Lösung zugleich

In der Prävention - es mag paradox erscheinen - kommen Rhesus-Antikörper zum Einsatz. Aufgereinigt aus dem Blut von RhD-negativen Spendern, die freiwillig immunisiert wurden und einen besonders hohen Rhesusantikörper-Spiegel haben, sind sie eine wertvolle und knappe Ressource [2]. Zwischen der 28. und 30. Schwangerschaftswoche werden RhD-negative Schwangere durch den Einsatz hochdosierter Rhesus-Antikörper passiv immunisiert (Rhesus-Prophylaxe). Tritt ihr Blutsystem nun mit dem des RhD-positiven Kindes in Kontakt, neutralisieren die verimpften Antikörper RhD-positive Erythrozyten bevor eine mütterliche Immunantwort überhaupt angestoßen werden kann.

In der Vergangenheit erfolgte die pränatale Rhesus-Prophylaxe bei allen RhD-negativen Schwangeren - und das obwohl eine Rhesus-Prophylaxe bei 40% der Schwangerschaften medizinisch nicht notwendig ist, da Mutter und Kind beide RhD-negativ sind. Bis vor wenigen Jahren fehlten jedoch nicht-invasive Verfahren, um den fetalen Rhesusfaktor zu bestimmen.

Rhesus-Prophylaxe – dank diagnostischem Fortschritt lässt sich die unnötige Spritze vermeiden

Unser Erbgut – eigentlich geschützt und verborgen im Zellkern – wird im Rahmen verschiedener normal-physiologischer Vorgänge freigesetzt und ist als zellfreie DNA auch im Plasma nachweisbar – und das bereits im Plasma der Mutter durch Freisetzung aus der Plazenta. Diese ‚fetale zellfreie DNA‘ erlaubt Einblicke in die Genetik des Ungeborenen ohne das Risiko invasiver Verfahren. Im Rahmen der nicht-invasiven Pränatal-Testung (NIPT) lässt sich auch der kindliche Rhesusfaktor bestimmen. Hierfür wird nach Aufreinigung zellfreier DNA aus mütterlichem Plasma eine PCR auf das RhD-Gen durchgeführt. Lässt sich das RhD-Gen bei einer RhD-negativen Schwangeren nachweisen, ist der Fetus RhD-positiv und eine Rhesus-Prophylaxe medizinisch notwendig. Der RhD-NIPT hat 2020 Einzug in die Mutterschafts-Richtlinien gehalten und wird seit dem 1. Juli 2021 von den Krankenkassen übernommen [3].

RhD-NIPT bei Labor Becker

Mit der folgenden Abbildung wollen wir Ihnen einen Überblick des nicht-invasiven Pränataltests auf das Rhesus-Gen geben, wie er bei uns im Hause durchgeführt wird. Um die bestmögliche Sensitivität und Spezifität zu erzielen, erfolgt die RhD-Testung bei Labor Becker frühestens ab der 20. Schwangerschaftswoche. Hierdurch ist der RhD-NIPT auch ideal kombinierbar mit dem Antikörper-Suchtest, der zwischen der 24. und 27. SSW indiziert ist. Weitere Details finden Sie natürlich auch in unserem Leistungsverzeichnis.

Referenzen: 

[1] Lau G. Reference Module in Biomedical Sciences. Elsevier 2014; doi: https://doi.org/10.1016/B978-0-12-801238-3.05546-X

[2] Pressemitteilung des Berufsverbandes der Frauenärzte e.V. vom 17.06.2021. Aufgerufen über: https://www.frauenaerzte-im-netz.de/aktuelles/meldung/rhesusfaktor-oder-nicht-test-in-der-fruehen-schwangerschaft-spart-kostbare-immunglobuline/; aufgerufen am 19.06.2023

[3] Meldung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 01.07.2021. Aufgerufen über: https://www.kbv.de/html/1150_53137.php; aufgerufen am 19.06.2023




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