Der Stellenwert der Molekulardiagnostik bei sexuell übertragbaren Infektionen


„Sexually transmitted infections“ (STI) werden von über 30 verschiedenen Erregern verursacht, darunter Bakterien, Viren und Parasiten.1 Ebenso vielfältig sind die klinischen Erscheinungsbilder. Häufig asymptomatisch verlaufende Infektionen tragen maßgeblich zur Verbreitung der Erreger bei. In Abhängigkeit davon, ob und wo sich die Erkrankungen manifestieren, kommen gezielte Untersuchungen und Reihenuntersuchungen (Screening) zum Einsatz.

Molekularbiologische Methoden (insbesondere die Polymerase-Kettenreaktion (PCR)) sind aufgrund ihrer hohen Sensitivität und Spezifität sowohl für den gezielten Nachweis als auch für das Screening geeignet. Die Kultivierung ermöglicht eine Prüfung auf Wirksamkeit antimikrobieller Therapien, ist aber nicht für alle Erreger möglich, so dass auch hier die PCR eine große Bedeutung hat. Die Serologie ist insbesondere bei der Syphilis-Diagnostik nach wie vorentscheidend bei Vorsorge und Diagnose und wird durch die PCR ergänzt.

Bei der Wahl des richtigen Probenmaterials und der Auswahl des am besten geeigneten Nachweisverfahrens für die jeweilige Indikation möchten wir Ihnen im Folgenden Hinweise geben. Beachten Sie auch: Die meisten der unten genannten PCR-Untersuchungen sind mit Ausnahme-Kennnummern vom Wirtschaftlichkeitsbonus Labor ausgenommen: das gilt für Untersuchungen zum Nachweis meldepflichtiger Infektionen (32006), prä- und perinataler Infektionen (32024), therapiebedürftiger Hepatitiden (32005) und HIV-Infektionen (32021).

Eine der wohl häufigsten STI ist die Chlamydien-Infektion. Bei Chlamydia trachomatis handelt es sich um obligat intrazelluläre Bakterien. Ihre Anzucht kann nur in Zellkulturen erfolgen, damit ist die PCR Methode der Wahl zum Nachweis. Chlamydien-Infektionen verlaufen in bis zu 80% der Fälle asymptomatisch und können dennoch zu Infertilität und extrauterinen Schwangerschaften führen. Deshalb wird Frauen bis 25 Jahren jährlich im Rahmen der Richtlinie zur Empfängnisregelung und zum Schwangerschaftsabbruch sowie allen Schwangeren gemäß Mutterschaftsrichtlinie ein PCR-Screening angeboten.2,3 Diese präventive Untersuchung aus Urin ist eine extrabudgetäre Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. Geeignete Probenmaterialien sind der morgendliche Erststrahlurin (für Screening und Diagnostik), kurativ auch ein Harnröhren-Abstrich oder Ejakulat.

Neisseria gonorrhoeae, der Erreger der Gonorrhoe, kann sowohl kulturell aus Abstrichen (Harnröhre, Zervix und andere Schleimhäute, Bartholin-Drüsen, intraperitoneal bei Aszension) als auch mittels PCR (zusätzlich Erststrahlurin) nachgewiesen werden. Die PCR liefert den Nachweis in kürzerer Zeit, während die Kultur wegen der Resistenzprüfung unverzichtbar ist. Folgerichtig sind beide Methoden auch nebeneinander Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Seit der Erweiterung des Infektionsschutzgesetzes 2022 ist jeder N. gonorrhoeae Nachweis meldepflichtig, weiterhin auch der Nachweis von Resistenzen gegen die Erstlinienmedikamente Cefixim, Ceftriaxon und Azithromycin.4 Koinfektionen mit C. trachomatis und N. gonorrhoeae sind häufig, daher ist der kombinierte molekularbiologische Nachweis beider Erreger bei Urethritis-Symptomatik sinnvoll. Diese Untersuchung wird zusätzlich als Teil der begleitenden Kontrollen bei der HIV-Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) von der GKV getragen.

Bei Mykoplasmen und Ureaplasmen handelt es sich um Bakterien, die auch bei gesunden Personen als Teil der Urogenitalflora vorkommen. Als fakultative Pathogene können Mycoplasma genitalium und Ureaplasma ureolyticum jedoch bei Frauen eine Vaginitis oder Adnexitis und bei Männern eine Prostatitis oder Urethritis verursachen. Nur molekularbiologisch lassen sich M. genitalium und U. ureolyticum von den apathogenen Arten M. hominis und U. parvum differenzieren. Molekularbiologisch lässt sich auch detektieren, ob bei M. genitalium eine Macrolidresistenz vorliegt. Geeignete Probenmaterialien sind (morgendlicher) Erststrahlurin oder ein Abstrich. Da die Symptomatik ähnlich der Gonokokken- und Chlamydieninfektion ist, haben sich sogenannte Panel-Anforderungen bewährt, bei denen ein Probenmaterial mittels PCR auf diese vier Erreger untersucht wird. Auch dies ist eine Leistung der GKV.

Infektionen mit Treponema pallidum ssp. pallidum, dem Auslöser der Syphilis (Lues), werden in der Regel serologisch diagnostiziert. Angesichts der möglichen Folgen für Mutter und Kind sieht die Mutterschaftsrichtlinie einen serologischen Suchtest auf Syphilis möglichst früh in der Schwangerschaft vor.3 Die Erreger wachsen nicht auf künstlichen Nährmedien und der mikroskopische Nachweis im Primäraffekt mittels Dunkelfeldmikroskopie gelingt nur selten, verschiedenen Studien zufolge sind PCR-basierte Verfahren empfindlicher. Da in diesem frühen Krankheitsstadium die Serologie noch negativ ausfallen kann, kann der direkte Nukleinsäurenachweis ergänzend eingesetzt werden.5 Abstriche sind hier das geeignete Probenmaterial. Der direkte und indirekte Nachweis ist nach Infektionsschutzgesetz meldepflichtig.

Bei Frauen bietet eine gesunde Vaginalflora, die sich durch hohe Zellzahlen der Laktobazillen L. crispatus, L. gasseri oder L. jensenii auszeichnet, einen gewissen Schutz vor Besiedlung und Infektionen mit Pathogenen. Im Falle eines Ungleichgewichtes der Scheidenflora (Vaginose oder vaginale Dysbiose) geht diese Schutzwirkung verloren. Gardnerella vaginalis und Fannyhessea vaginae, sofern sie in hoher Keimzahl vorliegen, sind Leitkeime der auch sexuell übertragbaren vaginalen Dysbiose.6 Für die PCR (keine Leistung der GKV) und den kulturellen Nachweis ist ein Vaginalabstrich geeignet.

Ungeachtet des Übertragungsweges (Herpes-simplex-Virus-1 (HSV-1): vorwiegend oral, HSV-2: vorwiegend sexuell) zeigen Studien, dass HSV-1 und HSV-2 Erreger des Genitalherpes sind.7,8 Bei Verdacht auf eine genitale Herpesinfektion sollte stets auf beide Typen getestet werden. Die Infektion verläuft bei circa 70% der Betroffenen asymptomatisch. Eine Gefährdung stellt insbesondere die Erstinfektion HSV-2-negativer Schwangerer dar, die ein hohes Risiko für eine konnatale Übertragung und schwere Erkrankung des Neugeborenen bedeutet. Serologische Untersuchung der Schwangeren (Nachweis von Antikörpern gegen HSV-1 und HSV-2) und PCR-Untersuchung der Sexualpartner ermöglichen eine Risikoeinschätzung sowie frühzeitige Diagnostik und ggf. Therapie des Neugeborenen. Der Virusnachweis erfolgt aus Abstrichen eröffneter Bläschen oder einem Vaginal- und anderen Schleimhautabstrichen.

Verschiedene Typen der humanen Papillomaviren (HPV) können sowohl die Haut als auch Schleimhäute infizieren. Molekularbiologisch kann zwischen den kanzerogenen Hochrisiko-HPV-Typen und Niedrig-Risiko-Typen, den Erregern der infektiösen Feigwarzen, unterschieden werden. Im Rahmen des Zervixkarzinom-Screenings werden Zervixabstriche mittels PCR auf das Vorliegen eines Hochrisiko-Typs untersucht und im positiven Falle die onkogenen Genotypen HPV16 und HPV18 differenziert. Eine HPV-Einzeltyp-Bestimmung kann für bestimmte Fragestellungen sinnvoll sein, für gesetzlich Versicherte als individuelle Gesundheitsleistung. Hiermit lassen sich die klinisch relevanten Hoch- und Niedrig-Risiko-Erreger typgenau differenzieren.

Auch HI-Viren sowie Hepatitis B- und C-Viren werden sexuell übertragen. Die Erstdiagnose erfolgt meist serologisch, die Therapieüberwachung erfolgt mittels quantitativer PCR aus EDTA-Blut. Auch bei der Überwachung von Blut- und Plasmaspenden kommt die PCR zum Einsatz.

Mit Trichomonas vaginalis befindet sich auch ein Vertreter der Protozoen unter den klinisch bedeutsamen STI-Erregern. Dieser einzellige Parasit ist der Auslöser der Trichomoniasis, die weltweit als zweithäufigste sexuell übertragene Krankheit gilt. Daten aus Deutschland zufolge ist die Prävalenz hierzulande gering (<1%),9 das entspricht Schätzungen der WHO für Europa (0,2-1,6%).10 Sollte der Nachweis der beweglichen Erreger nicht als patientennahe mikroskopische Untersuchung des Materials erfolgen, eignen sich (morgendlicher) Erststrahlurin sowie Vaginal- oder Urethral-Abstriche als Probenmaterial für die PCR.

 

Referenzen

1 WHO. Factsheet zu „Sexually transmitted infections (STIs)“. Stand 10 July 2023; aufgerufen am: 18.09.2023; aufgerufen unter: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/sexually-transmitted-infections-(stis)

2 Gemeinsamer Bundesauschuss. Chlamydien-Test für Frauen bis 25 Jahre; aufgerufen am 18.09.2023, aufgerufen unter: https://www.g-ba.de/themen/methodenbewertung/ambulant/frueherkennung-krankheiten/erwachsene/chlamydien-test/

3 Gemeinsamer Bundesauschuss. Mutterschafts-Richtlinien. Letzte Änderung am 20. April 2023; aufrufbar unter: https://www.g-ba.de/richtlinien/19/

4 RKI. Mitteilung zur „Umsetzung der neu eingeführten Meldepflichten nach §7 Abs. 3 IfSG: Meldung von Neisseria gonorrhoeae und Chlamydia trachomatis (Serotypen L1-L3)“. Stand: 30.01.2023; aufgerufen am: 18.09.2023; aufgerufen unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/G/Gonorrhoe/Meldepflicht_IfSG.html

5 AWMF-Leitlinie. S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Syphilis. Version 4.1; Stand: 27.04.2020 mit Addendum von Mai 2021

6 AWMF-Leitlinie. S2k-Leitlinie Bakterielle Vaginose. Version 5.0; Stand: 01.06.2023

7 Tuddenham et al. Diagnosis and Treatment of Sexually Transmitted Infections: A Review. JAMA 2022;327(2):161-172

8 Van Gerwen et al. Sexually transmitted infections and female reproductive health. Nature Microbiology 2022;7(8):1116-1126

9 Perry et al. The prevalence of Mycoplasma genitalium (MG) and Trichomonas vaginalis (TV) at testing centers in Belgium, Germany, Spain, and the UK using the cobas TV/MG molecular assay; Eur J Clin Microbiol Infect Dis. 2023;42(1):43-52

10 Rowley et al. Chlamydia, gonorrhoea, trichomoniasis and syphilis: global prevalence and incidence estimates, 2016; Bull World Health Organ 2019;97(8):548-562P




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