Organische Säuren im Urin

Analyse


Probenmaterial

Spontanurin - 4-10 ml

  • Urinröhrchen ohne Zusatz
wenn der Transport nicht am Tag der Abnahme möglich ist, Probe vor dem Versand kühlen

Methode
qualitative Analyse mittels GC/MS

Bearbeitungsfrequenz
3 x wöchentlich

Nachforderung
innerhalb von 5 Werktagen möglich

- Neugeborene
Patienten mit klassischen organischen Azidurien werden in der Regel im Neugeborenenalter klinisch auffällig (Verschlechterung des Allgemeinzustands, Trinkschwäche mit rezidivierendem Erbrechen, Krampfanfälle, Lethargie bis hin zum Koma) assoziiert mit metabolischer (Laktat)-Azidose, Ketose, Hyperammonämie und Hypoglykämie. Diese Erkrankungen verlaufen unerkannt häufig früh letal, während die Überlebenden meist mental und statomotorisch retardiert bleiben. Da Neugeborene mit einer akuten Stoffwechselentgleisung unspezifische Symptome zeigen, die beispielsweise einer Sepsis, einer zentralnervösen Infektion/Blutung oder einer kardialen Dekompensation ähneln, ist eine prompte metabolische Diagnostik bei allen Neugeborenen obligatorisch, welche sich nach komplikationsloser Schwangerschaft und Geburt (typischerweise mit einer Latenz von Stunden bis Tagen) klinisch verschlechtern.
Im Neugeborenen-Screening werden viele, aber nicht alle dieser potentiell lebensbedrohlichen Störungen erfasst. Die Analyse der organischen Säuren im Urin erlaubt eine zeitnah erforderliche Konfirmationsdiagnostik bei positivem Screening mittels TMS (Details siehe Auflistung unten (1): GA I, IVA sowie in unserem Pilotprojekt PA, MMA, Vitamin B12-Mangel, Remethylierungs-Störungen, HMG, MAD, Malonazidurie, TYR I).
- Patienten im Alter über 4 Wochen:
In dieser Patientengruppe mit angeborenen Stoffwechselstörungen sind die assoziierten klinischen Symptome sehr heterogen. Sie umspannen neurologische (psychomotorische Retardierung, muskuläre Hypotonie, Ataxie, Dystonie, Athetose, Krampfanfälle, Zerebralparese, Lethargie, Koma), organbezogene (Hepatopathie, Myopathie, Cardiomyopathie, Nephropathie, Makrozephalie, ophthalmologische bzw. dermatologische Auffälligkeiten) sowie unspezifische Symptome (Erbrechen, Gedeihstörung, auffälliger Geruch). Im Rahmen der metabolischen Abklärung spielt die Analyse der organischen Säuren im Urin eine zentrale Rolle.
Auflistung erfassbarer Stoffwechselerkrankungen:
1) Organische Azidurien, bereits erfassbar im Neugeborenscreening
- Glutarazidurie Typ I (Glutaryl-CoA-Dehydrogenase-Mangel; GA I)
- Isovalerianazidämie (Isovaleryl-CoA-Dehydrogenase-Mangel; IVA)
- Propionazidämie (Propionyl-CoA-Carboxylase-Mangel; PA)
- Methylmalonazidurie (Methylmalonyl-CoA-Mutase-Mangel; MMA, Vitamin B 12-Mangel, Remethylierungs-Störungen)
- 3-Hydroxy-3-Methyl-Glutaryl-CoA-Lyase-Mangel (HMG)
- Multipler Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel bzw. Glutarazidurie Typ II (MAD, GA II; auf dem Boden einer Elektronen-Transportstörung: Elektron-Transfer-Flavoprotein (ETF)-Mangel oder ETFDehydrogenase (ETF-DH)-Mangel
- Malonyl-CoA-Decarboxylase-Mangel (Malonazidurie)
- Hypertyrosinämie Typ I (Tyrosinämie Typ I; TYR I)
2) Weitere organische Azidurien (alphabetisch)
- Alkaptonurie
- Aromatischer L-Amino-Acid-Decarboxylase-Mangel (AADC)
- Canavan-Erkrankung (Aspartoacylase-Mangel; ASPA)
-´Dihydro-Pyrimidin-Dehydrogenase-Mangel (DPD)
- Glutathion-(γ-Glutamyl)-Synthethase-Mangel (5-Oxoprolinurie)
- D-Glycerin-Azidurie - Glycerokinase-Mangel
- Hawkinsinurie
- D-2-Hydroxy-Glutarat-Dehydrogenase-Mangel
- L-2-Hydroxy-Glutarat-Dehydrogenase-Mangel
- 3-Hydroxy-Isobutyric-Azidurie
- 4-Hydroxy-Phenylpyruvat-Oxidase-Mangel
- Hyperoxalurie I, II, III
- Hypertyrosinämie Typ I (Tyrosinämie Typ I; TYR I, siehe auch 3)
- 3-Methyl-Crotonyl-CoA-Carboxylase-Mangel, isoliert (MCC)
- 3-Methyl-Glutacon-Azidurie (mit/ohne Hydratase-Mangel)
- Multipler Carboxylase-Mangel (Holocarboxylase-Synthetase-, Biotinidase-Mangel)
- 2-Oxo-Adipin-Azidurie - Succinic-Semialdehyd-Dehydrogenase-Mangel (SSADH)
- Ureidopropionase-Mangel
3) Störungen im Aminosäurenstoffwechsel inklusive Harnstoffzyklusdefekte
a) Orotsäure-Erhöhung bei:
- Ornithin-Carbamoylphosphat-Transferase-Mangel (OCT)
- Citrullinämie (Argininosuccinat-Synthase-Mangel)
- Argininosuccinat-Lyase-Mangel - Argininämie
b) Succinylaceton-Erhöhung bei:
- Hypertyrosinämie Typ I (Tyrosinämie Typ I; TYR I)
c) Erfassbar mittels organischer Säuren: (für MSUD und PKU ist die Methode der Wahl die Bestimmung der Aminosäuren im Plasma)
- Ahornsirup-Erkrankung (MSUD)
- Hyperphenylalaninämie, Phenylketonurie (HPA, PKU)
4) Störungen im Stoffwechsel von Fettsäuren (CAVE: Defekte in der β-Oxidation (a) werden mittels organischer Säuren nicht immer zuverlässig identifiziert. Hierfür ist die Methode der Wahl die Bestimmung des Carnitinstatus im Serum/Plasma (siehe Carnitin/Acylcarnitine)
a) Defekte in der β-Oxidation von
- kurzkettigen Fettsäuren (Short-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase- Mangel; SCAD)
- mittelkettigen Fettsäuren (Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase- Mangel; MCAD)
- langkettigen 3-Hydroxy-Fettsäuren (Long-Chain-3-Hydroxy- Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel; LCHAD)
b) Defekt in der Ketogenese
- 3-Hydroxy-3-Methyl-Glutaryl-CoA-Lyase-Mangel (HMG)
c) Defekt in der Ketolyse
- 2-Methyl-Acetoacetyl-CoA-3-Oxo-Thiolase-Mangel (T2; mitochondrialer, verzweigtkettiger 3-Oxo-Thiolase-, Ketothiolase- Mangel)

Organische Säuren sind klinisch-biochemisch definiert als Verbindungen mit einer oder mehreren Carboxyl- oder sauren Phenol- Gruppen. Sie bilden eine heterogene Klasse von Substanzen mit unterschiedlichen funktionellen Gruppen (u.a. Oxo, Hydroxyl, Carbonyl, Thiol) oder liegen als Amide bzw. Ester vor. Zusätzlich lassen sich auch Glycinkonjungate von Mono- bzw. Dicarbonsäuren nachweisen.

Das Metabolitenmuster im Urin reflektiert den intrazellulären Intermediärstoffwechsel. Die Analyse erlaubt aufgrund der Akkumulation toxischer Metabolite in Körpergeweben und Körperflüssigkeiten - gefolgt von deren renaler Clearance - die Identifikation angeborener Störungen, welche auf Enzymdefekten im Stoffwechsel von Aminosäuren, Kohlenhydraten und Fettsäuren beruhen.




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